Geschichte und Schulen des Qi Gong

 


Qi-Gong-Übungen hat es gegeben, ehe der Begriff »Qi Gong« existierte, und man kann nicht genau sagen, wie alt Qi Gong wirklich ist. Vielleicht ist es so alt wie die Menschheit, weil es nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt erfunden, sondern durch Beobachtung des Körpers und seiner Reaktionen allmählich entwickelt worden ist.

Als mehr oder minder systematische Ubungstechnik und Heilmethode ist es 
vermutlich mindestens 4000 Jahre, vielleicht sogar 7000 Jahr e alt.

Diese Körpererfahrungen machen wir heute noch. Wenn wir beispielsweise müde werden, gähnen wir, strecken die Arme und dehnen unseren Körper. Danach fühlen wir uns entspannt und erfrischt. Oder wir setzen uns hin, schließen die Augen und atmen ruhiger, um uns wieder munterer zu machen. Das ist der Ursprung von Streck- und Dehnübungen sowie von Konzentrationsübungen ohne körperliche Bewegungen (Jing Gong = statische Übungen).

Fühlen wir an einer Stelle unseres Körpers eine Verspannung oder einen drückenden Schmerz, dann klopfen wir ab und zu leicht mit der Handfläche auf diese Stelle oder reiben sie oder drücken mit einem Finger darauf, damit das unangenehme Gefühl nachläßt. Das ist der Ursprung der Selbstheilmassage.

Wenn wir in gedrückter Stimmung oder traurig sind, seufzen wir zuweilen tief. Das ist die natürliche Ausgangsform später entwickelter Übungen, wie zum Beispiel die der heilenden Laute, die zur Behandlung mancher Krankheiten der inneren Organe eingesetzt werden.

Im Huang Di Nei Jing wird erwähnt, daß im mittleren Teil Chinas, wo es von Natur aus feucht und der Boden deshalb ertragreich ist, die Menschen über eine Fülle verschiedener Nahrungsmittel verfügten, ohne viel arbeiten zu müssen. Sie litten deshalb an zahlreichen Gesundheitsstörungen, die vom Mangel an Bewegung bei üppigem Essen herrührten. Sie entwickelten daher eine Reihe von Übungen wie »Dao-Yin« (Führen, Leiten) und »An-Qiao« (Drücken, Anheben), die nichts anderes als Techniken waren, einerseits durch Körperübungen das Qi im Körper zu aktivieren und zu leiten, andererseits das Qi durch Techniken, von denen die heutige Selbstheilmassage abstammt, zu harmonisieren. Hier haben wir es mit den ursprünglichen Formen von Qi-Gong-Übungen zu tun, die später zu bestimmten Bewegungsserien entwickelt wurden.

[n vielen andern Klassikern wurde erwähnt, daß vor rund 4000 Jahren, in der Tang-fao-Zeit, als in zentralen Gebieten Chinas (am Mittel- und Unterlauf des Gelben Flusses) die Menschen von zahlreichen Überschwemmungen heimgesucht wurden und deshalb im besonderen Maße an Gesundheitsstörungen der Haut, der Muskeln und der Gelenke litten, entwickelten sie als »Wu« (Tanzen, Springen oder Hüpfen) ausgeführte Übungen, mit deren Hilfe sie den gesamten Bewegungsapparat trainierten und die Durchblutung förderten.

Einer etwa 5000 Jahre alten, in der Provinz Qinghai ausgegrabenen, bunt bemalten Keramikschüssel aus der jüngeren Steinzeit können wir entnehmen, daß man damals bereits Qi Gong gemeinsam in Gruppen in einer Art Tanz geübt hat. Eine andere Art von Körperbewegungen entwickelte sich aus dem Nachahmen von Tierbewegungen. All dies waren ursprüngliche Formen der späteren Qi-Gong-Übungen mit Körperbewegungen (Dong Gong = dynamische Übungen).

Von vielen Menschen über lange Zeit entwickelt, umfaßt Qi Gong viele Schulen. Bis heute unterscheiden wir etwa fünf Hauptrichtungen:

1. Die taoistische Richtung

2. Die buddhistische Richtung, deren Übungen zum Teil von Indien mit dem Buddhismus nach China gebracht und nach Japan weitergegeben wurden. Auf diese Weise sind viele Yoga-Übungen nach China gekommen und dort in eine Schule integriert worden, die zuweilen Ähnlichkeiten mit Yoga aufweist. Ansonsten wurden von den chinesischen Buddhisten eigenständige Qi-Gong-Übungen entwickelt.

3. Die konfuzianische Richtung

4. Die medizinische Richtung, die eine Vielzahl von therapeutischen      Übungen entwikkelt hat, immer noch weiterentwickelt und die heute bereits in die Krankenhausbehandlung Eingang gefunden hat.

5. Die Wu-Shu-(Kung-Fu-)Richtung, deren Übungen von den Kampfkünstlern entwickelt wurden, um den Körper zu stärken und die Harmonie von Körperund Geist zu bewahren.

Ungeachtet dieser Unterteilung wird alles unter den Oberbegriff Qi Gong zusammengefaßt.

Man kann auch andere Unterteilungen vornehmen, wie zum Beispiel »weiches« und »hartes« Qi Gong. Hartes Qi Gong wurde hauptsächlich in der Selbstverteidigungsrichtung entwickelt und soll den Körper so stählen, daß er Unverwundbar wird. Durch Üben des harten Qi Gong kann man sogar mit einem Finger einen Backstein durchbohren oder mit einem Kopfstoß einen Grabstein brechen, ohne sich zu verletzen. Es gibt viele weitere Beispiele, und obwohl auch hartes Qi Gong der Stabilisierung von Geist und Körper dient, beschränkt sich dieses Buch im wesentlichen auf das weiche Qi Gong.

Tai Ji Quan (alte Schreibweise: Tai Chi Chuan) ist, kurz gesagt, eine Übung aus dem Qi Gong. Qi Gong ist der Sammelbegriff für alle Ubungszweige, die sich nach dem Qi-Gong-Prinzip von Körper, Atem und Geist richten. Setzen wir den Begriff Qi Gong mit »Musik« gleich, so entspricht Tai Ji Quan einer Sinfonie. Tai Ji Quan gehört zur Qi- Gong-Schule des Wu Shu (Kung Fu). Dem Namen nach gehört es auch zur taoistischen Schule, denn »Tai Ji« ist ein Begriff aus der chinesischen Philosophie und bedeutet im Yi: Ursprung von allem. Weltanfang, Ausgleich von Yin und Yang (Harmonie). Später wurde »Tai Ji« auch als Wahrheit aller Dinge zwischen Himmel und Erde interpretiert, oder als Qi, das vor der Trennung von Himmel und Erde, als die Welt aus dem Chaos entstand, noch ungekünstelt klar, leer und nichtig war (chin.: Hun-Dun, Qing-Xu). Quan bedeutet Faust. Tai Ji Quan ist also die Kunst der Selbstverteidigung mit den bloßen Händen nach dem Yin-Yang-Prinzip des Tai Ji.

 

Auszug aus:

Autor: Qingshan Liu   Titel: Qi Gong

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